28.07.2016

Büroraummietvertrag: Einhaltung des Schriftformerfordernisses bei mündlicher bzw. konkludenter Bestätigung eines Vertragsinhalts entsprechend einem mieterseits unterzeichneten Vertragsentwurf (BGH, Urteil vom 17.06.2015, XII ZR 98/13)

Leitsatz:

Entspricht der Vertragsschluss nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB, ist aber eine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vorhanden, die inhaltlich vollständig die Bedingungen eines später mündlich oder konkludent abgeschlossenen Mietvertrags enthält, ist die Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB gewahrt.

Sachverhalt:

Der Beklagte mietete im Jahr 2000 Geschäftsräume an. Hierzu übersandte er einen von ihm unterzeichneten Mietvertragsentwurf an den damaligen Eigentümer und Vermieter der Geschäftsräume. Zuvor hatte er jedoch in dem Mietvertragsentwurf eine mieterseitige Option zur Verlängerung des Mietvertrages um 5 Jahre neu eingefügt sowie eine zunächst vorgesehene Regelung zur Mietanpassung gestrichen. Der damalige Vermieter zeichnete die Mietvertragsurkunde gegen, ergänzte diese aber wiederum um eine weitere Anlage, die erneut eine Mietanpassungsklausel enthielt. Da der Beklagte die Mietanpassungsklausel nicht akzeptierte, unterzeichnete er diese weitere Anlage jedoch nicht. In der Folge wurde das Mietverhältnis mit dem vom Beklagten eingefügten Optionsrecht, aber ohne die vom damaligen Vermieter gewünschte Regelung zur Mietanpassung durchgeführt.

2011 kündigte der aktuelle Eigentümer und Vermieter den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentliche und verlangte nunmehr die Räumung und Herausgabe der Geschäftsräume von dem beklagten Mieter.

Entscheidung:

Ohne Erfolg, wie der BGH nunmehr entschied.

Zwar seien die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB für das Zustandekommen eines Vertrags, der einer gesetzlich vorgesehenen Schriftform genügen muss, vorliegend nicht erfüllt. Denn der damalige Vermieter habe das ihm vom Beklagten durch die Übersendung des unterzeichneten Vertragsentwurfs übersandte Angebot auf Abschluss eines Mietvertrags nicht angenommen, sondern um eine Preisanpassungsklausel ergänzt an diesen zurückgesandt. Damit habe er gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot abgegeben. Dieses habe wiederum der Beklagte nicht angenommen, weil er die weitere Anlage, die die Preisanpassungsklausel enthielt, nicht unterzeichnete. Auch eine solche Annahme unter Einschränkungen gelte nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Antrag. Ein Vertragsschluss, der den sich aus § 126 Abs. 2 BGB ergebenden Anforderungen an die Schriftform genüge, liege daher nicht vor. Der Mietvertrag sei vielmehr nur mündlich oder konkludent durch den Vollzug des Mietverhältnisses zustande gekommen.

Gleichwohl sei vorliegend - trotz der fehlenden Einhaltung der materiell-rechtlichen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB - das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr erfüllt.

Der Senat habe bereits für den ähnlich gelagerten Fall der verspäteten Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Mietvertrags für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB entschieden, dass die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ausreiche (Senatsurteil vom 24.02.2010, XII ZR 120/06, NJW 2010, 1518). Ein Mietvertrag genüge danach auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen wurde. Die Auslegung von § 550 BGB führe unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks und seiner Rechtsfolge zu dem Ergebnis, dass § 550 BGB über die Einhaltung der äußeren Form hinaus nicht voraussetzt, dass der Vertrag durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. § 550 BGB diene in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Diesen Schutzzweck erfülle eine nur der äußeren Form genügende Mietvertragsurkunde, in der die von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen des später konkludent abgeschlossenen Vertrages enthalten sind. Eine solche Urkunde informiere den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrages, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen ist und noch besteht, eintrete. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen würden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form gewahrt.

Diese Erwägungen gälten auch im vorliegenden Fall. Die von beiden Mietvertragsparteien unterzeichnete Vertragsurkunde entspräche in vollem Umfang den Bedingungen des von den Parteien später mündlich oder jedenfalls konkludent durch Invollzugsetzung des Mietverhältnisses abgeschlossenen Mietvertrags. Ein Erwerber des Grundstücks könne aus der Vertragsurkunde alle für ihn notwendigen Informationen über das Mietverhältnis entnehmen. Die für die Einhaltung des Schriftformerfordernisses genügende "äußere Form" des Mietvertrags sei daher gewahrt.

 

 

Fazit:

Mit dieser Entscheidung knüpft der BGH an sein Urteil vom 24.02.2010 (Az. XII ZR 120/06) an, mit der er klarstellte, dass es sich bei der Frage der Einhaltung der Annahmefrist nicht um eine Frage des Schriftformerfordernisses, sondern um eine Frage des Zustandekommens des Vertrages handle. Nunmehr lockert der BGH das - früher sehr streng von der Rechtsprechung ausgelegte - Schriftformerfordernis bei langjährigen Mietverträgen weiter auf. Entscheidend ist, dass eine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde existiert, die inhaltlich vollständig die Bedingungen eines (später) mündlich oder konkludent abgeschlossenen Mietvertrages enthält. Maßgeblich ist also, dass aus der Mietvertragsurkunde für einen Dritten (z.B. den Erwerber der Immobilie) die Absprachen der Mietvertragsparteien klar abgeleitet werden können.

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