10.01.2020

Ist ein Ende der Schriftformproblematik im (gewerblichen) Mietrecht in Sicht?

Langfristige Mietverträge sind vor allem bei Gewerbeimmobilien ein wesentliches Instrumentarium für die Planungssicherheit, sowohl auf Vermieter- als auch auf Mieterseite. Allerdings besteht bei Mietverträgen mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr stets die latente Gefahr der vorzeitigen Kündbarkeit aufgrund eines sog. Schriftformmangels. Nach der aktuellen Rechtslage gelten nämlich gemäß § 550 BGB Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen werden, als auf unbestimmte Zeit geschlossen und sind somit nach Ablauf eines Jahres ordentlich kündbar. Diese Regelung sollte nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung dem Erwerber einer vermieteten Immobilie die Möglichkeit geben, sich von Mietverträgen mit ihm nicht bekannten, weil nicht schriftlich festgehaltenen Regelungen zu trennen. Nach seinem Wortlaut gibt jedoch § 566 nicht nur dem Erwerber, sondern auch den ursprünglichen Mietvertragsparteien die Möglichkeit, sich aufgrund etwaiger Schriftformverstöße vorzeitig von einem eigentlich auf längere Zeit geschlossenen Vertrag zu lösen. Dem wurde in der Gestaltungspraxis mit sog. Schriftformheilungsklauseln zu begegnen versucht, in denen sich die Parteien eines langfristigen Mietvertrages gegenseitig verpflichteten, etwaige Schriftformverstöße zu heilen und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig zu kündigen. Mit Entscheidungen aus den Jahren 2017 und 2018 hat der BGH indes dieser Gestaltungspraxis eine Absage erteilt und Schriftformheilungsklauseln endgültig für unwirksam erklärt.

Diese strenge Rechtsprechung des BGH und eine nahezu unüberschaubare Flut an - teils widersprüchlichen - Gerichtsentscheidungen zu den Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform haben zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit in der Praxis geführt. Sowohl Vermieter als auch Mieter benötigen hinsichtlich ihrer Investitions- und Standortentscheidungen hingegen Planungssicherheit, welche die derzeitige Regelung nicht zu leisten vermag. Um dieser Rechtsunsicherheit zu begegnen hat der Bundesrat auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen am 20.12.2019 den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht“ beschlossen. Hiernach soll die bisherigen Schriftformregelung des § 550 BGB aufgehoben und stattdessen in § 566 BGB, welcher über die Verweisung des § 578 BGB auch für Gewerberäume gilt, folgender neuer Absatz 3 eingefügt werden:

Ist der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, ist der Erwerber berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Die Kündigung kann nur innerhalb von drei Monaten, nachdem der Erwerber Kenntnis von der ohne Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarung erlangt hat, erfolgen. Sie ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. Die Kündigung kann nicht auf solche Verstöße gegen die Schriftform gestützt werden, die erst nach dem Erwerb erfolgt sind.

Der Gesetzesvorschlag des Bundesrates ist insgesamt zu begrüßen. Er beschränkt die Möglichkeit der vorzeitigen ordentlichen Kündigung eines schriftformfehlerbehafteten Mietvertrages auf den Erwerber und reduziert den Schutzzweck der Regelung damit wieder auf den vom historischen Gesetzgeber verfolgten Zweck des Erwerberschutzes. Dem Mieter gibt er zudem die Möglichkeit, eine Kündigung des Erwerbers abzuwenden, wenn er sich im Gegenzug an dem festhalten lässt, was im schriftlichen Mietvertrag vereinbart wurde und was dem Erwerber daher bekannt ist. Eine Umsetzung des Gesetzesvorschlags dürfte daher zu einer erheblichen Steigerung der Rechts- und Planungssicherheit und damit auch zu einer Entlastung der Gerichte führen. Allerdings sieht der aktuelle Gesetzeswortlaut vor, dass er nur für Mietverhältnisse gilt, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes eingegangen worden sind. Es wäre wünschenswert, wenn die Regelung auch auf Altmietverträge Anwendung finden würde.

 

Rechtsanwalt David Wöhler

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