16.10.2015

Wohnraummiete: Mietmangel wegen Kinderlärm auf Bolzplatz (BGH, Urteil vom 29.04.2015, Az.: VIII ZR 197/14)

Leitsatz:

1. Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 10; vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).

2. Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist auch bei einer Bewertung von Kinderlärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen.

3. Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Sachverhalt:

Die Mieter hatten im Jahr 1993 eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse gemietet. An das Grundstück grenzte ein Schulgelände der Stadt an. Auf diesem wurde im Jahr 2010 in 20m Entfernung zur Terrasse der Mieter ein mit einem Metallzaun versehener Bolzplatz errichtet. Das angebrachte Hinweisschild gestattet Kindern bis 12 Jahren die Benutzung von montags bis freitags bis 18 Uhr. Die Mieter beanstandeten mehrfach gegenüber dem Vermieter Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten. Seit Oktober 2012 minderten sie daher die Miete, was von Amts- und Landgericht für zulässig erachtet wurde.

Entscheidung:

Der BGH sieht dies anders. Die Parteien hätten das Problem einer im laufenden Mietverhältnis eintretenden Lärmbelästigung durch Errichtung eines Bolzplatzes nicht vertraglich geregelt. Es fehle daher an einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung, so dass der geschuldete Zustand nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung sowie Treu und Glauben zu ermitteln sei.

Wenn die Parteien eine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung im obigen Sinne getroffen hätten, hätten sie dabei jedenfalls berücksichtigen müssen, ob der Vermieter überhaupt in der Lage wäre, die Störungen zu beseitigen. Insofern hätten laut BGH nur solche Störungen als nicht vertragsgemäß vereinbart werden können, die der Vermieter nach § 906 BGB hätte vermeiden können. Der BGH stellt dabei die Vermutung an, dass eine vertragliche Regelung im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung die Minderung der Miete in Höhe des gemäß § 906 Abs. 2. S. 2 BGB bestehenden Ausgleichsanspruch vorgesehen hätte.

Daher sei jedenfalls dann kein Mangel der Mietsache gegeben, wenn auch der Vermieter selbst die Belästigungen etwa unter dem Aspekt des auf Kinderlärm bezogenen Toleranzgebots nach § 22 Abs. 1a BImSchG hinnehmen müsse. Es komme dabei auch nicht darauf an, dass diese Vorschrift erst nach dem Abschluss des Mietvertrages in Kraft trat. Denn der Gesetzgeber habe damit einen allgemeinen Rechtssatz kodifiziert, der auch auf das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht ausstrahle.

Für die als entscheidend angesehene Frage, ob es sich wirklich um Lärm von Kindern (bis zu einem Alter von 14 Jahren) oder um Störungen von Jugendlichen handelt, hat der BGH den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Fazit:

Die Entscheidung betrifft Fälle, in denen beide Mietvertragsparteien nichts von der jeweiligen Nutzungsbeeinträchtigung wissen. Wer dann das Risiko trägt soll sich nach dem BGH in der Regel an den Grenzen des § 906 BGB orientieren. Wenn der Vermieter Immissionen nach § 906 BGB entschädigungslos dulden muss, wird dies eine Minderung des Mieters künftig ausschließen.

 

 

 

 

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