14.12.2017

Organhaftung - D&O-Versicherungsschutz nach Ausscheiden eines Organs

Mit Urteil vom 10.01.2017 (II ZR 94/15) entschied der BGH einen Fall, in dem ein Insolvenzverwalter ehemalige Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen verbotener Einlagenrückgewähr verklagte. Fast unerwartet nahm der BGH auch zu der Frage Stellung, ob das Versäumnis des Insolvenzverwalters, die Ansprüche gegenüber dem D&O-Versicherer geltend zu machen, ein anspruchsminderndes Mitverschulden darstellt.

Der BGH hat diese Frage verneint. Der Insolvenzverwalter sei nicht verpflichtet, eine D&O-Versicherung zu Gunsten eines Organs aufrecht zu erhalten. Etwaige Pflichten des Insolvenzverwalters beträfen nur die Gesellschaft und deren Gläubiger zum Zweck der Obhut und des Erhalts des Schuldnervermögens. Der BGH verneint damit nicht nur die Pflicht des Insolvenzverwalters, überhaupt für Versicherungsschutz zu sorgen, sondern auch eine Verpflichtung, bei bestehendem Versicherungsschutz eine Anspruchsanmeldung vorzunehmen. Der BGH hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob es im Einzelfall nicht auch im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gläubiger gewesen wäre, für Versicherungsschutz zu sorgen.

Der BGH hatte in diesem Fall auch nicht zu entscheiden, ob derartige Pflichten das Unternehmen selbst außerhalb einer Insolvenz betreffen. Diese Frage wird daher im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der vertraglichen Gegebenheiten zu entscheiden sein.

Für die Praxis ist die Beachtung der folgenden Maßstäbe umso wichtiger:

  1. Bei der Gestaltung des Vorstandsvertrags ist darauf zu achten, dass sich die Gesellschaft verpflichtet, nicht nur während der Dauer des Vorstandsmandats, sondern auch während der gesamten Verjährungsfrist und einer sich daran anschließenden Schutzfrist einen Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten und dies dem Organ auch nach dessen Ausscheiden nachzuweisen. Die Gesellschaft soll sich weiter verpflichten, eine Anspruchsgeltendmachung umgehend dem Versicherer zu melden. Im Vorstandsvertrag sollten gleich die Rechtsfolgen eines Verstoßes der Gesellschaft gegen diese Pflichten geregelt werden.
  2. Während der Dauer des Vorstandsmandats hat das Organ regelmäßig die besten Voraussetzungen, den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten und zu optimieren. Daneben kann es sinnvoll sein, andere Verträge zwischen der Gesellschaft und Dritten so zu gestalten, dass die Organe mit in den Schutzbereich des Vertrages aufgenommen werden.
  3. Bei Abschluss eines Versicherungsvertrags kann – abhängig von den Möglichkeiten, die ein Versicherer einräumt – eine Regelung vereinbart werden, die es einem (ehemaligen) Organmitglied ermöglicht, den Versicherungsschutz für sich persönlich aufrecht zu erhalten, auch wenn die Gesellschaft diesen beenden möchte. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Parameter kann dies sowohl für den Versicherer als auch für das (ehemalige) Organ durchaus sinnvoll sein.
  4. Besondere Sorgfalt ist nach Ausscheiden eines Organs geboten. Das Organ hat oft faktisch kaum mehr Zugang zu den relevanten Informationen und denkt oft auch nicht mehr an die Notwendigkeit, sich um fortdauernden Versicherungsschutz zu kümmern. Wird der Versicherungsschutz durch die Gesellschaft nach Ausscheiden eines Organs beendet, erfährt das ausgeschiedene Organmitglied ohne entsprechende Vorkehrungen meist nichts davon. Es wäre misslich, wenn das ehemalige Organ erst bei einem späteren Versuch, einen Umstand beim Versicherer zu melden, von der Beendigung des Versicherungsschutzes erfährt. Sind vertragliche Vorkehrungen unterblieben, sollte sich das Organmitglied zumindest regelmäßig über den Bestand des Versicherungsschutzes erkundigen und optimalerweise gleich selbstständig Vorkehrungen treffen.

 

Rechtsanwalt Dr. Matthias Frost hat Organhaftungsverfahren, die insgesamt gegen 13 ehemalige Organmitglieder gerichtet waren, betreut. Die ganz wesentlichen Weichenstellungen für den Ausgang solcher Verfahren werden bereits zu Beginn bei Übernahme des Mandats gestellt. Durch eine vorausschauende Gestaltung können viele Verfahren abgewendet werden oder einer sinnvollen Beendigung zugeführt werden.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Frost

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