16.10.2015

Beschränkte persönliche Dienstbarkeit: Kein Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle einer bereits ausgeübten Dienstbarkeit (BGH, Urteil vom 12.12.2014, Az.: V ZR 36/14)

Leitsatz:

Eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten scheidet aus, wenn die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist.

Sachverhalt:

Der Beklagte ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Werkstatthalle befindet. Zu Gunsten der Kläger wurde mit notarieller Urkunde eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit durch eine Rechtsvorgängerin des Beklagten bestellt, mit der die Kläger zur Nutzung der Halle berechtigt sein sollten. Eine weitere beschränkte persönliche Dienstbarkeit berechtigte die Kläger zur Nutzung eines vier Meter breiten Streifens entlang der Grundstücksgrenze, um von der Straße zur Halle zu gelangen.

Entsprechend nutzten die Kläger den Weg im Einvernehmen mit dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass sie eine dem tatsächlich vorhandenen Weg entsprechende Fläche als Zufahrt zur Halle zu nutzen berechtigt sind. Widerklagend begehrte der Beklagte die Unterlassung dieser Nutzung.

Entscheidung:

In erster Instanz wurde der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz entschied das Landgericht dagegen zu Gunsten des Beklagten, wies die Klage ab und ließ die Revision zu.

Der BGH hat sich dem Berufungsgericht angeschlossen und dem Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zugebilligt. Den Klägern stünde insbesondere kein Anspruch auf Verlegung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf den Teil des Grundstücks, auf dem sich derzeit die Zufahrt zur Halle befindet, zu. Denn das Gesetz regele in § 1023 BGB nur den Anspruch des Grundstückseigentümers des dienenden Grundstücks auf Verlegung des Ausübungsbereichs, nicht jedoch das diesbezügliche Recht des Dienstbarkeitsberechtigten. Eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten lehnt der BGH ab, wenn die Ausübungsstelle wie hier zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht wurde.

Der Verlegungsanspruch sei vom Gesetzgeber bewusst nur für den Eigentümer geschaffen worden. Zudem habe sich der Berechtigte wegen der Aufnahme eines bestimmten Ausübungsorts darauf einstellen können und müssen, dass er kein weitergehendes Nutzungsrecht als aus dem Grundbuch ersichtlich haben könne.

Der BGH ist der Auffassung, dass der Dienstbarkeitsberechtigte nur im Ausnahmefall nach Treu und Glauben verlangen könne, einen rechtsgeschäftlich festgelegten räumlichen Ausübungsbereich der Dienstbarkeit zu verlegen. Ein solcher Ausnahmefall könne beispielsweise bei nachträglich eingetretenen, nicht auf einer willkürlichen Benutzungsänderung beruhenden Umstände anzunehmen sein, die die Ausübung der Dienstbarkeit an der vorgesehenen Stelle für den Dienstbarkeitsberechtigten unzumutbar machen.

Solche Umstände lägen hier jedoch nicht vor, da die Ausübung der Dienstbarkeit entlang der Grundstücksgrenze von Anfang an erschwert gewesen sei. Insofern müssten sich die Kläger an dem vereinbarten Inhalt der Dienstbarkeit festhalten lassen.

Fazit:

Die Entscheidung behandelt die bisher höchstrichterlich nicht entschiedene Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Dienstbarkeitsberechtigten ein Anspruch auf Verlegung des Ausübungsbereichs seiner Dienstbarkeit gegenüber dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zusteht.

Da ein solcher Anspruch nach der Entscheidung des BGH nur in Ausnahmefällen besteht, sollte in der Praxis der Ausübungsbereich der Dienstbarkeit sorgfältig festgelegt werden (so Grziwotz, ZfIR 2015, 434, 438).

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